Der Kampf um die Einführung des Achtstundentages

         Ein erbitterter Streit um Lebensqualität

Für die Schweiz war es ein langer und harter Weg bis zur Einführung der 48-Stunden-Woche. Gesetzliche Regelungen zu Arbeitsplatz oder Arbeitszeit gab es vorher praktisch keine. Besonders in der Textilindustrie herrschten oftmals unmenschliche Bedingungen in den Fabriken. Erst nach Jahrzehnten des Widerstands konnte schliesslich nach einem landesweiten Generalstreik die Forderungen der Arbeiterschaft nach einem Achtstundentag durchgesetzt werden.


Briefkopf der Stickerei Teufen um 1902

Briefkopf der Mechanischen Stickerei Tobler & Sohn am Eggli, 1902. Den Briefkopf schmückt
eine
um 1900 an der Pariser Weltausstellung errungene Goldmedaille.

 

Eine Ende 1912 aufgenommene Fabrikstatistik zeigte, dass in der Textilindustrie erst 39 Prozent der Fabriken und 47,6 Prozent der Arbeiter den Zehnstundentag kannten. 61 Prozent der Fabriken und 52, 4 Prozent der Arbeiter mussten also noch länger arbeiten. In der Baumwollindustrie waren es sogar 75 Prozent der Arbeiter, die mehr als 10 Stunden and die Maschinen gebunden waren, und für die meisten von ihnen kam auch der freie Samstagnachmittag nicht in Betracht.

 

Wie sah es mit der Arbeitszeit in den Jahren davor aus?

 

In den Jahren zuvor sah es sogar noch schlimmer aus.

In der Baumwollspinnerei zum Beispiel sind in den 1820er und 1830er Jahren effektive Arbeitszeiten (nach Abzug der Pausen) von 14-15 Stunden belegt, vereinzelt auch wesentlich längere.

In den wichtigsten Industrien des Kantons Zürich registrierte man um 1855 einen 13-14-Stunden-Tag. Für Verkürzungen setzten sich zunächst weniger die Betroffenen selbst als die um den physischen und moralischen Zerfall der Arbeiterschaft besorgte Bürger ein. In den Kantonen Zürich und Thurgau beschränkten Verordnungen die tägliche Arbeitszeit für Fabrikkinder (Kinderarbeit) um 1815 auf 12-14 Stunden. Mit wenig Erfolg.

Das Glarner Gesetz von 1848 liess für Erwachsene in Spinnereien maximal 15 Stunden (inklusive «Mittagsstunde») zu und galt als europäische Pionierleistung auf dem Gebiet des Arbeiterschutzes.

Einen entscheidenden Schritt machte dann 1877 das eidgenössische Fabrikgesetz mit dem 11-Stunden- bzw. am Samstag dem 10-Stunden-Tag. Vor allem seit Ende der 1880er Jahre gewann die Bewegung für eine Reduktion der Arbeitszeit neuen Schwung, unter anderem mit der 1889 beschlossenen Einführung des Ersten Mai als Kampftag für 8 Stunden. 1901 nutzte noch fast die Hälfte aller Fabriken die gesetzliche Höchstarbeitszeit. Diese wurde 1905 an den Samstagen auf 9 Stunden verkürzt.

 

Was bedeutete das konkret für den Lebensstil der Arbeiterinnen und Arbeiter vor gut 100 Jahren?

 

Vor allem in den Textilfabriken waren die Arbeitsbedingungen damals miserabel. Neben schwerer, vor allen Dingen auch eintöniger, körperlicher Arbeit war es hauptsächlich die finanzielle Lage, welche die Lebensbedingungen der Arbeiter und Arbeiterinnen teilweise auf unter die Armutsgrenze herabsetzten. Die Ernährung war in der Regel einseitig und schlecht. Geld und Zeit zum Kochen fehlten und so kamen eigentlich nur Kaffee, Maisbrei, Kartoffel- und Mehlsuppen auf den Tisch. Oft konnten die Frauen auch gar nicht richtig kochen. Die Ausgaben für Miete, Essen und Kleidung konnten durch das Einkommen von Frau und Mann zusammen nur knapp gedeckt werden. In Zeiten von Krankheit und Arbeitslosigkeit bestanden keine Reserven. Unter dem Einfluss der allgegenwärtigen materiellen Unsicherheit herrschte oft auch ein gewalttätiges Klima.

Bei einem festen Arbeitsplatz in der Fabrik waren die Arbeiterinnen und Arbeiter bis zum ersten eidgenössischen Fabrikgesetz der unternehmerischen Willkür des Fabrikbesitzers ohne irgendwelchen rechtlichen Schutz ausgeliefert.  Als Folge darauf verbot das neue Gesetz von 1877 dann die Fabrikarbeit von Kindern unter vierzehn Jahren, die Nachtarbeit für Frauen, und Jugendlichen unter 18 Jahren die Sonntagsarbeit. Es erliess Vorschriften für die Arbeitsräume und Fabrikanlagen zum Schutz der Gesundheit und setzte den Normalarbeitstag auf elf Stunden fest. Bei Arbeitsunfällen, Körperverletzung oder Tötung der Arbeiter galt neuerdings obligatorisch die Haftpflicht des Unternehmers.

Trotz dieser Verbesserungen blieb die Arbeit jedoch für viele Industriearbeiter und Arbeiterinnen wegen schlechter Luft, schwankender Raumtemperatur und Feuchtigkeit, Chemikalien, Gestank und Lärm trotzdem ein Gesundheitsrisiko. Im Falle von Berufskrankheiten war die Verantwortung der Unternehmen nämlich so exklusiv formuliert, dass die Haftpflicht praktisch nicht existierte. Forderungen nach Behebung der Ursachen wurde mit dem Argument begegnet, dass jede Fabrikarbeit eine Abnutzung des Organismus bringe, und deshalb in Kauf genommen werden müsse.

Ein besonderes Gesundheitsrisiko war weiterhin auch eine überlange Arbeitszeit, und die Arbeitgeber taten derweil ihren Teil dazu. Ein prägnantes Beispiel hierzu liefern die Stickereifabriken.

Mit Entlassungsdrohungen, Rückbehalten des Lohnes oder auch sofortigen Entlassungen versuchten die Stickereifabrikanten, den Arbeitern Fleiss und Arbeitsdisziplin beizubringen.

Diesen Zumutungen der Unternehmer setzten die Sticker in verschiedensten Formen Widerstand entgegen. Eine diese Widerstandsformen war unter anderen das Blaumachen. Aus dem Bericht von Luise Rüd, die als zehnjähriges Mädchen um 1885 in einer Stickfabrik in Teufen arbeitete, geht hervor, dass dieser Brauch auch in den 1880er Jahren noch üblich war: "Zwischenhinein, in der Arbeitszeit hiessen die Sticker mich Most, und Bier oder Schnaps holen, denn Trinken und Blaumachen am Montag war etwas Feststehendes."

Alkohol und Tabak halfen zudem auch die übermässig langen Arbeitszeiten und die Last eintöniger Arbeit zu ertragen; anders hätte die beim Sticken erforderliche Konzentration und körperliche Anspannung nicht aufgebracht werden können.

 

Was konnte gegen diese Umstände unternommen werden?

 

Um diesen schrecklichen Lebensumständen entgegenwirken zu können, und auch um den Fabrikarbeitern endlich humanere Lebensqualitäten zuzusprechen, beschlossen die Mitglieder der Organisation der Textilarbeiter um die Jahrhundertwende, sich zu einer grösseren Gewerkschaft zu vereinigen, damit sie geschlossen für die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter einstehen konnten.

Auf diese Weise konnte im Jahr 1918 erstmals auf Betreiben der im Kantonsrat vertretenen Kämpfer für die Arbeiterschaft vom Regierungsrat des Kantons Zürich eine staatliche Erhebung über die Textilarbeiterlöhne durchgeführt werden. Ausschlag dafür hatte eine massive Teuerung von Lebensmitteln infolge des Krieges gegeben.

Nach dieser Lohnerhebung betrugen die Löhne auf Rappenbasis der Textilarbeiter im Juni 1918:

 

Lohntabelle Textilarbeiter um 1918

 

Das Jahrbuch des Verbandes stellte diesen Jammerlöhnen (die Teuerung stieg bis zum Jahresende auf 150 Prozent) die Jahreseinkommen und Vermögen einiger Textilfabrikanten gegenüber.

Die Presse berichtete darauf im Sommer 1918 von einem Riesenskandal.

Die betroffenen Herrschaften unter den Fabrikbesitzern und Arbeitgebern hatten sich nämlich selbst mit Einkommen von 39'000, 40'000, 80'000, 90'000,248'000, 300'000,1'200'000 und 1'350'000 Franken taxiert.

Als Vermögenswert gaben die selbigen Unternehmer jeweils an: 230'000, 550'000, 580'000, 1'200'000, 2'450'000, 4'000'000, 4'500'000 und 16'480'000 Franken.

Daraufhin wurden weitere Untersuchungen eingeleitet.

Das markanteste Beispiel bildete der Fall von Fabrikant Streiff im Aathal bei Wetzikon, der ein Vermögen von 500'000 Franken und ein Einkommen von 20'000 Franken versteuerte. Als er zur Neueinschätzung aufgefordert wurde, taxierte er sich mit 1'000'000 Franken Vermögen und 40'000 Franken Einkommen. Aus einem Bericht der Eidgenössischen Kriegssteuerverwaltung an den zürcherischen Regierungsrat ergab sich dann schliesslich aber, dass der Reingewinn der Streiff’schen Fabrik in einem einzigen Jahr 1'510'641 Franken betragen hatte, so dass der Unternehmer Streiff von der Steuerbehörde schliesslich mit 2'000'000 Franken Vermögen und 1'000'000 Franken Jahreseinkommen eingeschätzt wurde.

In einem als «Hilferuf aus der Tiefe» betitelten Brief an die Zeitschrift «Textilarbeiter» war überdies kurz vor dieser Untersuchung sehr ausführlich über das Elend der Streiff’schen Arbeiterschaft berichtet worden. Darin gab es Berichte darüber, wie ausgehungerte Arbeiterinnen sich oft vor Müdigkeit und Schwindel hinsetzten mussten oder manche auch direkt an der Maschine umgefallen waren.

 

Mit welchen Mitteln konnte der 8-Stunden-Tag schliesslich durchgesetzt werden?

 

Diese neu gewonnene Öffentlichkeit war ein wichtiges Beispiel dafür, wie die immer stärker wahrgenommene soziale Ungerechtigkeit sich dank Einigungen und Zusammenschlüssen endlich Gehör verschaffen konnte. Die Arbeiterbewegung gewann aber auch mithilfe der neu gebildeten Gewerkschaften und Streiks immer mehr an Schlagkraft.

Arbeitskonflikte hatten bereits ab der Mitte der 1880er Jahre stark zugenommen. Von 1880 - 1914 zählte man in der Schweiz 2416 Streiks, davon kam es bei 193 davon zu schwereren Polizei- und mit 40 Militäreinsätzen.

Seit 1890 verfügte die Arbeiterbewegung zudem mit dem Ersten Mai über ihren eigenen wichtigen Kampf- und Feiertag.

 

Gruss vom Maifest

Postkarte, 1911-1920: "Gruss vom Maifest - Die Arbeitszeit, so lang und schwer, den Geist und
Leib bedrückt sie sehr, darum zu lindern in der Not und Plag, erstreitet den Achtstundentag."

 

Doch erst der grosse Generalstreik um 1918, auch Landesstreik genannt, konnte schliesslich mit 250'000 Streikenden die einheitlichen Forderungen der Arbeiterinnen und Arbeiter der Schweiz durchsetzen.

In seinem Gefolge gelang es vielen Gewerkschaften zwar noch keinen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zu erreichen, aber immerhin erstmals ein Abkommen für kürzere Arbeitszeiten durchzusetzen und im Fabrikgesetz von 1919 schliesslich die 48-Stunden-Woche zu verankern.  

Nachdem die Gewerkschaften die 48-Stunden-Woche erkämpft hatten, folgte auf 1. Januar 1920 mit der Inkraftsetzung des Fabrikgesetzes endlich auch die gesetzliche Verankerung des 8-Stunden-Tages, wie wir ihn heute noch kennen.  

 

Wie wird die Arbeitszeit heute definiert?

 

Ausgeglichene Arbeits- und Ruhezeiten sind heutzutage Teil des Gesundheitsschutzes, da sie sowohl Übermüdungserscheinungen als auch mit der Müdigkeit zusammenhängende Unfälle verhindern. Sie garantieren den Arbeitnehmenden ein soziales Leben, indem beispielsweise der Sonntag als Ruhetag festgelegt wird. Das Arbeitsgesetz legt die Mindestruhezeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Gestaltung der Schichtpläne fest.

Dazu gibt es gesetzliche Regelungen zur Einhaltung von Ruhezeiten, Sonntagsarbeit, wöchentlicher Höchstarbeit, den Voraussetzungen für Überzeitarbeit, usw. Um diese Regelungen als Arbeitgeber einhalten zu können, aber auch um einen Überblick über die Jahresarbeitszeit inklusive Beurlaubungen, Frei-, Ferien und Feiertagen behalten zu können, empfiehlt sich ein kompetentes Zeiterfassungsprogramm.

Viele Firmen haben heutzutage noch kein einheitliches Zeiterfassungssystem. Über lange Jahre dienten Stempeluhren mit aufwändig auszuwertenden Zeitkarten oder auch simple, von Hand ausgefüllte Zettel dem Zweck der Stundenerfassung, danach folgten teilweise Excel-Listen.

Der Nachteil dabei besteht jedoch darin, dass solche Schriftstücke oft nicht zuverlässig nachgeführt werden, somit wenig Kontrollgrad erfüllen, und auch die Berechnung der Frei- und Ferientage der einzelnen Mitarbeiter jeden Monat noch manuell erfolgen muss.

 

Mit der Software prima werden diese Berechnungen alle automatisch durchgeführt. Nebst mobiler Arbeitszeit- und Absenzenerfassung verfügt die Software beispielsweise auch über eine integrierte und übersichtliche Ferienplanung mit standortabhängigen Feiertagen sowie einer historisierten Abbildung der jeweiligen Mitarbeiter-Pensen und individuellen Mitarbeiterauswertungen.

 

Dazu kommen noch etliche weitere Funktionen.

 

 

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Quellen:

Literatur:

Marti Ernst, 50 Jahre Schweizer Textil-und Fabrikarbeiter-Organisation 1903-1953, Zürich 1954.

Joris Elisabeth (Hg.), Witzig Heidi (Hg.), Frauengeschichte(n). Dokumente aus zwei Jahrhunderten zur Situation der Frauen in der Schweiz, Zürich 2001.

Vorstand der Allgemeinen Textilarbeiter-Gewerkschaft St.Gallen, Wirtschaftliche Rundschau oder - Das Los der Textil-Arbeiter, St. Gallen 1913.

Tanner Albert, Von der Heimarbeit in die Fabrik: Geschichte der industriellen Arbeit, in: Boillat Valérie (Hg.), Degen Bernhard (Hg.), Joris Elisabeth (Hg.), Keller Stefan (Hg.), Tanner Albert (Hg.), Zimmermann Rolf (Hg.), Vom Wert der Arbeit- Schweizer Gewerkschaften- Geschichte und Geschichten, Zürich 2006.

Bellaggio Andrea/ Tanner Albert, Von Stickern, ihren Frauen und Kindern, in: Schweizerisches Sozialarchiv Zürich (Hg.), Arbeitsalltag und Betriebsleben. Zur Geschichte industrieller Arbeits- und Lebensverhältnisse in der Schweiz, Zürich 1981.

 

Arbeiterbewegung: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016479/2014-02-24/

Landesstreik: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016533/2012-08-09/

Arbeitszeit: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013910/2015-01-21/

https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Arbeit/Arbeitsbedingungen/Arbeitnehmerschutz/Arbeits-und-Ruhezeiten.html

 

Bildquellen:

Schweizerisches Sozialarchiv, Achstunden-Bewegung:
https://www.sozialarchiv.ch/?s=achtstunden-bewegung

Schweizerisches Sozialarchiv, Textilarbeiter um 1915:
https://www.bild-video-ton.ch/bestand/objekt/Sozarch_F_5040-Fb-071

Schweizerisches Sozialarchiv, Gruss vom Maifest:
https://www.bild-video-ton.ch/bestand/objekt/Sozarch_F_Ka-0002-185

Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, publiziert in Tüüfner Poscht:
https://tposcht.ch/news/bluete-und-niedergang-der-teufner-textilindustrie/

 

                                                                       Autorin: Mina Bösiger

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